8 – Das ist ein SEGEL-Boot

Eines Tages auf der Ostsee – nähe der Flensburger Förde. Wind beständig Bft 5 aus Ost:

Kanal 16: Hallo! Unser Motor funktioniert nicht mehr.. Benzin haben wir aber noch Wir sind auf Position …. Vielleicht kann uns jemand behilflich sein?

MSCC: Hier Bremen Rescue. Wie lautet ihr Rufzeichen? Name des Bootes und wieviel Personen sind an Bord?

Kanal 16: Hier Segelyacht XXX unser Rufzeichen ist D…. wir sind zu zweit. Unsere Position ist N…… in der nähe von Kalkgrund. Wir haben gerade versucht den Motor anzustellen, aber der geht nicht. Benzin haben wir aber.

MSCC: Hier Bremen Rescue. Wir schicken ihnen ein Boot der DGzRS zur Hilfe. Das schleppt sie dann in einen Hafen. Wo wollen sie überhaupt hin.

Kanal 16: Nach Hörup Hav

Etwas sollte sich ein Segler von heute doch immer wieder klar vor Augen führen. Motorbooten gegenüber haben wir den Vorteil, dass wir in fast jeder Situation manövrierfähig bleiben und uns unter Verwendung der Segel fortbewegen können.

Noch vor wenigen Jahrzehnten war ein Motor an Bord einer Segelyacht etwas ausgesprochen ungewöhnliches. Wenn Flaute war, war Flaute. Wehte der Wind aus einer ungünstigen Richtung musste gegen an gekreuzt werden. Im Hafen wurde dann mit einem gepflegten Aufstopper angelegt.

Wer eine fundierte Segelausbildung genossen hat, dem sollten die dazu notwendigen Manöver hinreichend vertraut sein und den heute üblichen Einbaudiesel als das verstehen was er ist – ein Hilfsmotor!

Mache Dir das bitte immer wieder klar! Überlege Dir immer wieder vorher, wie Du bestimmte Situationen ohne Motor meistern würdest, wie z.B. diese:

Du fährst unter Motor in einem engen Fahrwasser, gegen den Wind – einer Hafeneinfahrt entgegen – eine gute Gelegenheit sich vorzustellen was man tun könnte, wenn der Motor jetzt versagen würde.

Ein Motorboot hätte nun vielleicht ein Problem, Du nicht! Mach unverzüglich eine 180° Grad Wende. Schon der Vortrieb der Aufbauten Deiner Yacht wird dafür sorgen, dass Du zunächst manövrierfähig bleibst. Damit ist schon ein wichtiges Teilziel erreicht und die Situation ist ein wenig entspannter. Du hast Zeit zum Nachdenken gewonnen.

Sicherlich hast Du vor der Einfahrt die Segel geborgen. Als umsichtiger Skipper hast Du dafür gesorgt , dass diese nur festgelascht wurden und die Fallen angeschlagen bleiben. So können im Notfall die Segel schnell wieder gesetzt werden. Und das ist dann in dieser Situation tatsächlich der nächste Schritt. Setzen wir also zunächst die Fock. Das geht am schnellsten und verschafft Dir weiteren Handlungsspielraum. Segel jetzt in freies Wasser. Hier hast Du nun verschiedene Optionen: Du kannst mit halben Wind fahren und versuchen die Schwierigkeiten mit dem Motor zu lösen, alternativ kannst Du ankern. Möglicherweise gelingt es Dir Kontakt mit einem vorbeifahrendem Segler oder Motorboot aufzunehmen. Vielleicht kann er Dich in den Hafen schleppen.

Würde in dieser Situation der Wind aus einer der anderen drei Richtungen kommen, würdest Du Dich eher dafür entscheiden in den Hafen hinein zu segeln. Stell Dir auch immer wieder diese Situation vor. Du wirst sehen, wenn Du Dir beizeiten solche Szenarien in Ruhe durchdacht hast, wirst Du eigentlich für jede Situation eine geeignete Lösung finden. Im Ernstfall wirst Du dann sehr souverän reagieren können.

Kommen wir zurück auf die zu Beginn des Beitrags geschilderte Geschichte. Die Yacht befand sich kurz vor der Flensburger Förde mit dem Ziel Hörup Hav, einem kleinen Ort auf der dänischen Seite der Flensburger Förde, in unmittelbarer Nähe zu Sonderburg.

Es entspricht zwar dem persönlichen Sicherheitsempfinden des Skippers, ob in so einem Fall die Seenotrettung alarmiert wird, aber bei genauer Analyse ist das wohl nicht notwendig gewesen.

Die Yacht hatte einen nördlichen Kurs abgesetzt. Bei Ostwind, mit 5 Bft, ein perfekter Halbwindkurs.

Die Crew hätte viele Optionen gehabt. Weitersegeln nach Hörup Hav, alternativ nach Sonderburg, wo mit Sicherheit ein kompetenter Motorenservice zu finden ist. Scheut der Skipper die dänischen Preise, hätte er segelnd bequem deutsche Häfen an der Flensburger Förde, wie Gelting oder Langballigau erreichen können. Oder die Yacht wäre auf Gegenkurs gegangen und hätte optional Maasholm oder Damp anlaufen können.

Bei Ostwind lassen sich all diese Häfen bequem auch unter Segeln anlaufen. Innerhalb des Hafens muss dann ja kein mustergültiges Anlegen in einer Box erfolgen. Es ist doch ausreichend, wenn man im Hafenbecken zunächst irgendwo fest macht, z.B. außen an den Heckpfählen. Hier angekommen wird sich dann sicherlich umgehend Hilfe finden lassen, um in eine freie Box bugsiert zu werden.

Dieses Beispiel soll nicht als Kritik an dem Seglerpaar verstanden werden. Es waren vermutlich ältere Herrschaften, die offensichtlich mit der Situation überfordert waren, so dass sie für sich nur diese Möglichkeit der Problemlösung gesehen haben.

Es soll hier aber als Beispiel dafür dienen, dass es sehr hilfreich ist, sich vorab mit verschiedenen Worst Case Szenarien zu beschäftigen, damit man dann in einer angespannten Situation auf ein gewisses Repertoire an Lösungsmöglichkeiten verfügt.

Überhaupt Worst Case Szenarien. Der Ausfall der Maschine ist ja nur eine von vielen. ‚Person über Bord‘ ist eines, das in der Segelausbildung intensiv behandelt wird. Aber das Themenspektrum ist vielfältig und der Phantasie sind diesbezüglich keinerlei Grenzen gesetzt.

Was machst Du bei Feuer an Bord, Wassereinbruch, Wantenbruch, was wenn das Ruder versagt? Wie reagierst Du auf plötzlich auftretende Wetterereignisse, wie Nebel, aufkommendes Gewitter? Überlege Dir immer mal wieder während eines Törns welche Optionen Du hättest, wenn z. B. plötzlich ein Sturm auftreten würde. Stelle Dich innerlich darauf ein, in so einer Situation  gegebenenfalls einen ganz anderen Hafen anzulaufen.

Welche Häfen sind in erreichbarer Entfernung? Welcher Hafen liegt in dieser Situation geschützt genug um ihn sicher anzulaufen? Welche der erreichbaren Häfen sind Lee-Häfen? Ein Hafen also, der von See kommend an Deiner windabgewandten Seite liegt. Vom Hafen aus gesehen stehen Wind und Brandung in diesem Fall genau auf dem Hafen! Denke darüber nach, warum es schwierig, ja gefährlich sein kann, einen solchen Lee-Hafen anzulaufen:

In Hafen- und damit in Ufernähe wird es flach. Das hat zur Konsequenz, dass sich die Wellen aufsteilen können. In unmittelbarer Nähe des Hafens besteht somit eine große Gefahr in Grundseen, also sich brechende Wellen, geraten zu können, was zum Kentern Deiner Yacht führen kann.

Wie so etwas aussieht ist hier ab Filmminute 4:27 zu sehen.

Während der alljährliche Pfingstregatta von Rostock nach Kühlungsborn briste der Wind aus nördlichen Richtungen auf bis zu Bft 6-7 auf. Der Hafen Kühlungsborn wurde somit zum Lee-Hafen. Die Hafeneinfahrt bedingt es, dass die Boote unmittelbar vor der Hafeneinfahrt ein kurzes Stück parallel zu den Wellen fahren mussten. Eine sich in diesem Moment brechende Welle wurde einem der Segler dann zum Verhängnis.

Natürlich wird man auf See immer wieder mit unerwarteten Situationen konfrontiert, aber die intensive Beschäftigung mit solchen Szenarien versetzt uns in die Lage in den übrigen Situationen vielleicht entspannter mit einer solchen umzugehen und entscheidende Fehler zu vermeiden.

Aber vor allem sollte uns immer bewusst sein: Wir haben doch ein SEGEL-Boot und eigentlich ist doch nur eine Flaute ein Problem.

4 – Segeln gemeinsam entwickeln

Du bist also vom Segel Virus infiziert? Ist es Dein Partner auch? Oder lebst Du allein? Dann kannst Du diesen Artikel getrost überspringen. Segeln – das bedeutet früher oder später, dass man seinen Urlaub, seine Wochenenden auf einem Segelboot verbringen wird. Versucht das Segeln für euch gemeinsam zu entwickeln.

Mach die Kurse zusammen mit Deinem Partner. Entwickelt Euch gemeinsam.

Zwei gute Gründe dafür:

Es macht doppelt soviel Spaß

Ihr habt dann gemeinsam den gleichen Erfahrungshorizont.

Spätestens wenn Ihr später zusammen segelt und es zu kritischen Situationen kommt – und die werden kommen – werdet Ihr froh sein Euch mit jemanden beraten zu können.

Versucht ein partnerschaftliches Segeln zu leben. Macht ein gemeinsames Hobby daraus, dann werdet Ihr auch langfristig große Freude am Segeln haben.

Es gibt leider viele Segler deren Partner schnell das Interesse am Segeln verlieren. Schuld daran sind häufig das scherenartige Auseinanderklaffen der gemachten Erfahrungen. Aus mangelhaften Kenntnissen entstehen so schnell Ängste und Gefühle der Unterlegenheit. Versetze Dich einmal in die Lage Deines Partners: Würdest Du dann noch weitersegeln wollen?

Habt ihr aber annähernd den gleichen Kenntnisstand, dann ist bei beiden ein gutes Verständnis für die jeweilige Situation vorhanden.

Kein langes diskutieren warum man jetzt an der Tonne da vorne steuerbord oder backbord vorbei muss. Niemand ist verletzt, wenn es mal laut wird. Na klar – ein guter Skipper schreit nicht. Niemals! Aber bei Bft 6 ist die Kommunikation ohne technische Hilfsmittel zwischen Cockpit und Vorschiff oft gar nicht anders möglich.

Weiß dann auch jeder und hat nichts mit Aggressionen zu tun.

Also entwickelt Euch gemeinsam!

Es gibt natürlich auch andere Gründe warum der Partner nicht mitziehen kann oder will. Generelle Angst vor dem Wasser, eine unüberwindliche Empfindlichkeit gegenüber der Seekrankheit (keine Krankheit im eigentlichen Sinne!!!. Aber dazu später mehr), etc.

Auf ein paar gemeinsamen Probetörns läßt sich das aber herausfinden.

Ich drück euch jedenfalls die Daumen 😀