Kleine Ursache, große Wirkung. Es kann zu einer sehr teuren Erfahrung werden, eine Leine im Wasser hängen zu lassen. Mir musste es zweimal passieren, bevor ich vor dieser Situation den entsprechenden Respekt entwickelte.
Beim ersten Mal segelten wir, während eines Wochenendtörns, nach Nysted an der Südküste Lollands. Wind aus West 4-5 Bft. Ein schöner, schneller Törn von Fehmarn mit raumen Wind. Spannend, die Durchquerung des Windparks. Vorbei an den riesigen Flügeln der Rotoren. Anschließend der Betonnung durch die Sandbänke folgend. Das Fahrwasser für die Hafeneinfahrt nach Nystedt muss von Ost nach West angesteuert werden. Kurs gegen den Wind, Fock bergen, Motor an und das Großsegel einholen.
Plötzlich erstirbt der Motor. Keine große Überraschung, ein bekanntes Phänomen bei unserem 30 Jahre alten Faryman. Auskuppeln und Starten.
Problemlos! Einkuppeln und wieder stirbt der Motor ab. Ich versuchte es wohl noch zweimal bis wir bemerkten, dass wir die Steuerbordvorleine in der Schraube hatten.
Was war passiert?
Ein schönes Beispiel für schlechte Seemannschaft! Wir waren noch am Anfang unserer Segelkarriere und bis zu diesem Tag haben wir die Vorleinen immer auf dem Vordeck liegen gelassen. Nach unserer Rauschefahrt mit NO Kurs durch den Windpark bei raumen Wind, änderten wir den Kurs auf N bzw NNW um die Sandbänke passieren zu können. Dabei krängte das Boot bei Halbwind deutlich stärker und die Vorleine rutschte unbemerkt in das Wasser. Als der Motor zum bergen der Segel gestartet wurde und das Boot Fahrt unter Maschine aufnahm, lief die Leine dicht am Rumpf entlang und kam kurz darauf in die Schraube.
Wie schon weiter vorn beschrieben, habe ich mir immer wieder die Frage gestellt, was zu tun sei, wenn der Motor ‚jetzt‘ ausfallen würde. Diese Überlegungen halfen bei der Bewältigung der Situation.
Sofort wurden die Segel gesetzt und mittels kurzer Kreuzschläge gelang es, das Boot durch das recht schmale Fahrwasser sicher in den Hafen zu bringen. Ein gepflegter (Not)- Längsanlieger, dann kehrte Ruhe ein.
Das Wasser hatte zu dieser Jahreszeit knapp 7°C. Glücklicherweise fand sich ein Taucher der uns für 300 Dkr die Leine aus der Schraube schnitt.
Bezüglich der Vorleinen war die Lektion gelernt. Aber so ein Boot hat ja auch noch Heckleinen.
Etwa ein Jahr später war es soweit. Der Hafen von Orth/ Fehmarn. Beim Einfahren in die Box verfehlte mein Wurf der Leine den Heckpfahl. Die Leine fiel in das Wasser. Das Boot hatte etwas zu viel Fahrt und musste per Maschine aufgestoppt werden. Zu guter Letzt ging der Motor auch noch aus. Du ahnst etwas. Ich leider nicht. Ich startete die Maschine erneut, legte den Gang ein und der Motor erstarb erneut, diesmal aber verbunden mit dem hässlichen Geräusch sich trennender Laminatfasern.
Ein weiterer Neopren bewährter Taucher (es war wieder Frühjahr), brachte neben den Überresten der Leine schlechte Nachrichten mit nach oben. Im Gegensatz zur Vorleine, die in einem spitzen Wiinkel zur Schraubenwelle gezogen hatte, wirkte der Zug der Heckleine im 90° Winkel auf die Propellerwelle ein, die dadurch komplett verbogen wurde.
Insgesamt war so ein Schaden von 3000 Euro entstanden.
Diese beiden Beispiele sollen verdeutlichen, warum gute Seemannschaft so wichtig ist. Faulheit an Bord rächt sich umgehend. Im zweiten Fall wäre kühlen Kopf zu bewahren, wohl angebrachter und jegliches hektisches Handeln zu vermeiden gewesen.
Aber vor allen Dingen habe ich folgendes gelernt:
Wirklich! Man stelle sich folgendes Szenerio vor: Früher Nachmittag, eine leichte Brise, die Sonne strahlt von einem blauen Himmel herab, 25° C Lufttemperatur und Du segelst gemächlich mit zwei bis drei Knoten über das Meer dahin. Es sind nur noch ein paar Meilen bis zum Hafen. Um Dich herum noch andere Yachten.
Plötzlich wird der Motor bei einer Yacht gestartet. Segel runter, Hebel auf den Tisch. Ab Richtung Hafen. Kurze Zeit später die nächste, dann eine weitere. Der Run auf das Hafenbecken ist eröffnet. Übertrieben? Nein – oft erlebt und immer wieder in dieser oder jener Form zu beobachten.
Aber warum die Eile? Die Angst keinen Platz im Hafen zu finden ist unbegründet. Platz findet man immer. Im schlimmsten Fall leidet die Bequemlichkeit, aber im Hafen unterzukommen sollte eigentlich immer möglich sein. Genieße stattdessen den Segeltag. Entspanne Dich.
Erreicht man dann am späten Nachmittag oder Abend den scheinbar überfüllten Hafen, dann fährt man zunächst hinein. Mit Ruhe und Gelassenheit fährt man mit niedrigster Drehzahl die Boxengassen entlang. Es ist immer wieder erstaunlich, wie oft sich noch eine versteckt gelegene leere Box findet.
Sollte man hier mal nicht fündig werden, bleibt einem immer noch das Päckchen. In einem vollen Hafen werden sich schon die ersten gebildet haben. Nur Mut! Ist bei der auserkorenen Anlegeyacht jemand an Bord frage man höflicherweise, ob man längsseits gehen darf. In der Regel wird es nicht verwehrt. Sofern nicht ein ernstzunehmender Grund vorliegt würde es auch gegen die Prinzipien der guten Seemannschaft verstoßen.. Ein Anleger Heck an Bug bewahrt die Privatsphäre.
Ist ein Anlegen im Päckchen nicht möglich bleibt immer noch die Möglichkeit sich an den äußeren Pfählen zweier Boxen längs zur Boxengasse festzumachen. Das setzt natürlich voraus, dass ein Beiboot mitgeführt wird – falls man an Land gehen möchte.
Am nächsten Morgen entspannt sich dann die Situation. Spätestens Punkt neun beginnen die ersten wieder auszulaufen und Du kannst in aller Ruhe in eine der freien Boxen verholen.
Ein Extrem haben wir mal im Hafen von Endelave, einer kleinen dänischen Insel südwestlich von Samsö erlebt. Hier lagen die Yachten so dicht aneinander gepackt, daß man von einer Seite des Hafenbeckens zum anderen trockenen Fußes über das Wasser hätte gehen können. Wir haben uns damals dann für die, im nächsten Absatz beschriebene, Variante entschieden.
Eine weitere Alternative stellt das Ankern dar. Hier sind natürlich die Verhältnisse in Hafennähe und das Wetter zu berücksichtigen. Wenn aber ein geeigneter Ankergrund in der Nähe ist und das Wetter mitspielt ist das auch eine gute Wahl. Ist ein Beiboot vorhanden steht dem Landgang auch nichts entgegen und man kann am nächsten Morgen entspannt im Hafen eine freie Box finden.
Eines Tages auf der Ostsee – nähe der Flensburger Förde. Wind beständig Bft 5 aus Ost:
Kanal 16: Hallo! Unser Motor funktioniert nicht mehr.. Benzin haben wir aber noch Wir sind auf Position …. Vielleicht kann uns jemand behilflich sein?
MSCC: Hier Bremen Rescue. Wie lautet ihr Rufzeichen? Name des Bootes und wieviel Personen sind an Bord?
Kanal 16: Hier Segelyacht XXX unser Rufzeichen ist D…. wir sind zu zweit. Unsere Position ist N…… in der nähe von Kalkgrund. Wir haben gerade versucht den Motor anzustellen, aber der geht nicht. Benzin haben wir aber.
MSCC: Hier Bremen Rescue. Wir schicken ihnen ein Boot der DGzRS zur Hilfe. Das schleppt sie dann in einen Hafen. Wo wollen sie überhaupt hin.
Kanal 16: Nach Hörup Hav
Etwas sollte sich ein Segler von heute doch immer wieder klar vor Augen führen. Motorbooten gegenüber haben wir den Vorteil, dass wir in fast jeder Situation manövrierfähig bleiben und uns unter Verwendung der Segel fortbewegen können.
Noch vor wenigen Jahrzehnten war ein Motor an Bord einer Segelyacht etwas ausgesprochen ungewöhnliches. Wenn Flaute war, war Flaute. Wehte der Wind aus einer ungünstigen Richtung musste gegen an gekreuzt werden. Im Hafen wurde dann mit einem gepflegten Aufstopper angelegt.
Wer eine fundierte Segelausbildung genossen hat, dem sollten die dazu notwendigen Manöver hinreichend vertraut sein und den heute üblichen Einbaudiesel als das verstehen was er ist – ein Hilfsmotor!
Mache Dir das bitte immer wieder klar! Überlege Dir immer wieder vorher, wie Du bestimmte Situationen ohne Motor meistern würdest, wie z.B. diese:
Du fährst unter Motor in einem engen Fahrwasser, gegen den Wind – einer Hafeneinfahrt entgegen – eine gute Gelegenheit sich vorzustellen was man tun könnte, wenn der Motor jetzt versagen würde.
Ein Motorboot hätte nun vielleicht ein Problem, Du nicht! Mach unverzüglich eine 180° Grad Wende. Schon der Vortrieb der Aufbauten Deiner Yacht wird dafür sorgen, dass Du zunächst manövrierfähig bleibst. Damit ist schon ein wichtiges Teilziel erreicht und die Situation ist ein wenig entspannter. Du hast Zeit zum Nachdenken gewonnen.
Sicherlich hast Du vor der Einfahrt die Segel geborgen. Als umsichtiger Skipper hast Du dafür gesorgt , dass diese nur festgelascht wurden und die Fallen angeschlagen bleiben. So können im Notfall die Segel schnell wieder gesetzt werden. Und das ist dann in dieser Situation tatsächlich der nächste Schritt. Setzen wir also zunächst die Fock. Das geht am schnellsten und verschafft Dir weiteren Handlungsspielraum. Segel jetzt in freies Wasser. Hier hast Du nun verschiedene Optionen: Du kannst mit halben Wind fahren und versuchen die Schwierigkeiten mit dem Motor zu lösen, alternativ kannst Du ankern. Möglicherweise gelingt es Dir Kontakt mit einem vorbeifahrendem Segler oder Motorboot aufzunehmen. Vielleicht kann er Dich in den Hafen schleppen.
Würde in dieser Situation der Wind aus einer der anderen drei Richtungen kommen, würdest Du Dich eher dafür entscheiden in den Hafen hinein zu segeln. Stell Dir auch immer wieder diese Situation vor. Du wirst sehen, wenn Du Dir beizeiten solche Szenarien in Ruhe durchdacht hast, wirst Du eigentlich für jede Situation eine geeignete Lösung finden. Im Ernstfall wirst Du dann sehr souverän reagieren können.
Kommen wir zurück auf die zu Beginn des Beitrags geschilderte Geschichte. Die Yacht befand sich kurz vor der Flensburger Förde mit dem Ziel Hörup Hav, einem kleinen Ort auf der dänischen Seite der Flensburger Förde, in unmittelbarer Nähe zu Sonderburg.
Es entspricht zwar dem persönlichen Sicherheitsempfinden des Skippers, ob in so einem Fall die Seenotrettung alarmiert wird, aber bei genauer Analyse ist das wohl nicht notwendig gewesen.
Die Yacht hatte einen nördlichen Kurs abgesetzt. Bei Ostwind, mit 5 Bft, ein perfekter Halbwindkurs.
Die Crew hätte viele Optionen gehabt. Weitersegeln nach Hörup Hav, alternativ nach Sonderburg, wo mit Sicherheit ein kompetenter Motorenservice zu finden ist. Scheut der Skipper die dänischen Preise, hätte er segelnd bequem deutsche Häfen an der Flensburger Förde, wie Gelting oder Langballigau erreichen können. Oder die Yacht wäre auf Gegenkurs gegangen und hätte optional Maasholm oder Damp anlaufen können.
Bei Ostwind lassen sich all diese Häfen bequem auch unter Segeln anlaufen. Innerhalb des Hafens muss dann ja kein mustergültiges Anlegen in einer Box erfolgen. Es ist doch ausreichend, wenn man im Hafenbecken zunächst irgendwo fest macht, z.B. außen an den Heckpfählen. Hier angekommen wird sich dann sicherlich umgehend Hilfe finden lassen, um in eine freie Box bugsiert zu werden.
Dieses Beispiel soll nicht als Kritik an dem Seglerpaar verstanden werden. Es waren vermutlich ältere Herrschaften, die offensichtlich mit der Situation überfordert waren, so dass sie für sich nur diese Möglichkeit der Problemlösung gesehen haben.
Es soll hier aber als Beispiel dafür dienen, dass es sehr hilfreich ist, sich vorab mit verschiedenen Worst Case Szenarien zu beschäftigen, damit man dann in einer angespannten Situation auf ein gewisses Repertoire an Lösungsmöglichkeiten verfügt.
Überhaupt Worst Case Szenarien. Der Ausfall der Maschine ist ja nur eine von vielen. ‚Person über Bord‘ ist eines, das in der Segelausbildung intensiv behandelt wird. Aber das Themenspektrum ist vielfältig und der Phantasie sind diesbezüglich keinerlei Grenzen gesetzt.
Was machst Du bei Feuer an Bord, Wassereinbruch, Wantenbruch, was wenn das Ruder versagt? Wie reagierst Du auf plötzlich auftretende Wetterereignisse, wie Nebel, aufkommendes Gewitter? Überlege Dir immer mal wieder während eines Törns welche Optionen Du hättest, wenn z. B. plötzlich ein Sturm auftreten würde. Stelle Dich innerlich darauf ein, in so einer Situation gegebenenfalls einen ganz anderen Hafen anzulaufen.
Welche Häfen sind in erreichbarer Entfernung? Welcher Hafen liegt in dieser Situation geschützt genug um ihn sicher anzulaufen? Welche der erreichbaren Häfen sind Lee-Häfen? Ein Hafen also, der von See kommend an Deiner windabgewandten Seite liegt. Vom Hafen aus gesehen stehen Wind und Brandung in diesem Fall genau auf dem Hafen! Denke darüber nach, warum es schwierig, ja gefährlich sein kann, einen solchen Lee-Hafen anzulaufen:
In Hafen- und damit in Ufernähe wird es flach. Das hat zur Konsequenz, dass sich die Wellen aufsteilen können. In unmittelbarer Nähe des Hafens besteht somit eine große Gefahr in Grundseen, also sich brechende Wellen, geraten zu können, was zum Kentern Deiner Yacht führen kann.
Wie so etwas aussieht ist hier ab Filmminute 4:27 zu sehen.
Während der alljährliche Pfingstregatta von Rostock nach Kühlungsborn briste der Wind aus nördlichen Richtungen auf bis zu Bft 6-7 auf. Der Hafen Kühlungsborn wurde somit zum Lee-Hafen. Die Hafeneinfahrt bedingt es, dass die Boote unmittelbar vor der Hafeneinfahrt ein kurzes Stück parallel zu den Wellen fahren mussten. Eine sich in diesem Moment brechende Welle wurde einem der Segler dann zum Verhängnis.
Natürlich wird man auf See immer wieder mit unerwarteten Situationen konfrontiert, aber die intensive Beschäftigung mit solchen Szenarien versetzt uns in die Lage in den übrigen Situationen vielleicht entspannter mit einer solchen umzugehen und entscheidende Fehler zu vermeiden.
Aber vor allem sollte uns immer bewusst sein: Wir haben doch ein SEGEL-Boot und eigentlich ist doch nur eine Flaute ein Problem.
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